Bankrun in Kalifornien wegen zu vieler Staatskredite?

Groß ist das Rätseln derzeit darum, wie es passieren konnte, dass eine Bank in Kalifornien quasi über Nacht von ihren Kunden gestürmt wird. Der klassische Bankrun bei der Silicon Valley Bank (SVB), also der Versuch vieler Einleger, zur gleichen Zeit ihr Geld aus dieser Bank abzuziehen, ist zwar von den amerikanischen Behörden mit der Versicherung gestoppt worden, niemand werde seine Einlagen verlieren, aber die Verunsicherung an den Finanzmärkten ist groß. Andere Banken mit ähnlichem Geschäftsmodell haben massiv an Aktienwert verloren.

Wirkliche Erklärungen für die Vorgänge gibt es noch nicht. Die amerikanische Notenbank hat mit einer Untersuchung begonnen. Am weitesten verbreitet ist derzeit die These, die Bank sei in Schwierigkeiten geraten, weil die Verzinsung der von der Bank (auf der Aktivseite) gehaltenen alten Staatsanleihen aufgrund der Zinswende der FED unter der Verzinsung neu ausgegebener Staatsanleihen liegt (so die Financial Times und Jens Berger). Der aktuelle Marktwert der alten Anleihen liegt deutlich unter ihrem Nennwert, also unter dem Wert, zu dem die Kredite vom Staat zurückgezahlt werden. Den Bankrun darauf zurückzuführen, ist allerdings eine steile These.

Zunächst muss man nämlich feststellen, dass bei einem Bankrun auch die beste Aktivseite nicht hilft. Wenn, aus welchen rationalen oder irrationalen Gründen auch immer, die Einleger einer Bank verrückt spielen, gibt es kein Gegenmittel als die schnelle Schließung der Bank und, um andere Anleger zu beruhigen, staatliche Garantien für alle Banken. Dass die Kunden einer Bank nicht mehr trauen, weil sie zu viele Staatsanleihen in ihrem Portfolio hat, die zwar langfristig vollkommen sicher sind, die aber kurzfristig nicht ohne Verluste verkauft werden können, ist nicht besonders plausibel. 

Die kurzfristigen Verluste treten ja nur auf, wenn die Einleger verrückt spielen und die Anleihen schnell verkauft werden müssen. Das erklärt aber nicht, warum die Einleger plötzlich in Panik geraten. Die FT weist zu Recht darauf hin, dass die aktuelle geringe Bewertung der Staatsanleihen lange vor dem Run bekannt war. Ich jedenfalls würde nicht nervös werden, wenn ich mein Geld bei einer Bank hielte, die vorwiegend Kredite an den Staat gegeben hat, von der aber sonst nichts Nachteiliges bekannt ist. Auch eine Bank, die vorwiegend solide langfristige Kredite an private Unternehmen gegeben hat, ist bei einem Bankrun verloren, weil sie ohne große Verluste niemals so viel Geld aktivieren kann, wie sie bräuchte, um alle Einlagen auszuzahlen. Gegen irrationale Aktionen ist kein Geldinstitut gefeit.

Auch die These, die Bank hätte höhere Zinsen auf Einlagen nicht bezahlen können, weil die Staatsanleihen in ihrem Portfolio nur niedrig verzinst waren, ist nicht besonders überzeugend. Wenn es einen solchen Druck auf die Marge der Bank gibt, muss sie durch etwas geringere Zinsen den Abzug einiger Einlagen auf andere Banken hinnehmen. Tut sie das nicht und macht große Verluste, hat das Management versagt. Mit der Aktivseite alleine hat das nichts zu tun.

Ergebnis: Wir wissen es nicht. Wir wissen derzeit nicht, was die Panik ausgelöst hat. So lange wir es nicht wissen, hilft das Spekulieren über die Gründe nicht weiter. Die Untersuchung der amerikanischen Notenbank wird hoffentlich bald schon Licht in das Dunkel bringen.