Der Auftragseingang bei der deutschen Industrie liegt weiter auf Rezessionsniveau. Die neuesten Zahlen für den Oktober, die das Statistische Bundesamt vorgestern veröffentlicht hat, zeigen, dass der „Herbst der Reformen“ genau da verpufft, wo seine Wirkungen eigentlich erwartet werden. Der einzige „Lichtblick“: Im Bereich des sonstigen Fahrzeugbaus hat es einen enormen Zuwachs gegeben. Dazu schreibt das BMWI: „Die Entwicklung der Auftragseingänge ist im Oktober erneut von Großaufträgen vor dem Hintergrund verteidigungswirtschaftlicher Beschaffungen geprägt.“
Ohne solche Großaufträge verharrt die deutsche Wirtschaft, wie das Original-Schaubild des Bundesamtes zeigt, weiter auf der Rezessionstalsohle. Damit hat die deutsche Wirtschaft bald das vierte Jahr einer rezessiven Entwicklung vollendet (die letzte Spitze über einem Wert von einhundert im Jahr 2022 ist der Wert von Januar 2022).

Das ist ein großartiger Rekord! Noch nie waren zwei Regierungen hintereinander nicht in der Lage zu erkennen, dass es bei einem Absturz der Auftragseingänge um Nachfrage geht, um nichts als mangelnde Nachfrage. Um das zu übersehen, muss man offenbar mit aller Konsequenz verhindern, dass es in den zuständigen Ministerien irgendeine Art von ökonomischer Expertise gibt.
Nur bei den „verteidigungswirtschaftlichen Beschaffungen“ sieht es besser aus. Dummerweise kommen die mit einem schweren Pferdefuß. Waffen oder Munition werden zwar mit dem Einsatz menschlicher Arbeitskraft und mit Maschinen produziert. Folglich werden in der ersten Runde Einkommen an die Arbeitnehmer und Gewinne an die Unternehmen ausbezahlt. Doch was kommt dann? Bei einer normalen Maschine für die Produktion geht es dann erst los: die Maschine kommt zum Einsatz und kann, wenn sie eingesetzt wird, viele Jahre lang Produkte erzeugen, die womöglich effizienter erzeugt werden und billiger auf den Markt kommen, als es sonst der Fall gewesen wäre. Davon profitiert die Volkswirtschaft über viele Jahre, weil die Einkommen pro Kopf und pro Stunde steigen.
Was aber ist mit den Waffen und der Munition in der zweiten Runde? Da ist absolut nichts. Beide stehen ohne jeden Gewinn so lange in irgendwelchen Arsenalen bis sie nicht mehr einsatzfähig sind und vernichtet werden müssen. Wenn Soldaten an den Waffen üben, wird das Ergebnis noch einmal schlechter. Dann wird auch noch menschliche Arbeitskraft vergeudet, weil das, was die Soldaten lernen, niemals zu einem produktiven Ergebnis führen kann.
Jeder vernünftige Mensch weiß, dass es keinen konventionellen Krieg mit der Atommacht Russland geben kann, den Deutschland gewinnen könnte, ohne dass es zu einer atomaren Eskalation kommt. Auf der Stufe kann jedoch niemand mehr gewinnen. Aber, wird man argumentieren, man ziele ja auf eine „Abschreckung“. Doch auch die ist aus dem gleichen Grund sinnlos. Weil Russland der NATO konventionell schon jetzt hoffnungslos unterlegen ist, ist eine Auseinandersetzung, bei der es nicht zu einer atomaren Eskalation kommt, ausgeschlossen. Folglich gibt es entweder keine Auseinandersetzung oder eine, die man niemals gewinnen kann, weil Europa dabei zerstört wird – ganz gleich, ob es danach noch jemanden gibt, der sich zum Gewinner erklärt.
Deutschland produziert jetzt in großem Stil auf dem militärischen Track Dinge, die vollkommen nutzlos sind. Das wird sich bei den Produktivitätsfortschritten, die ohnehin (wie zuletzt hier gezeigt) nicht mehr existieren, in der Zukunft massiv negativ niederschlagen. Herumstehendes Metall ist mit Abstand die sinnloseste Form der Produktion, weil dabei wertvolle Ressourcen (einschließlich der menschlichen) vernichtet werden und zudem die Klimabilanz schon bei der Produktion und beim Übungseinsatz verheerend ist.
Nachtrag zur Expertise von Frau Reiche
Übrigens, die Bundesministerin für Wirtschaft hat in einer Grundsatzrede ein schönes Schaubild verwendet (das man hieransehen kann). Sie zeigt, dass in Deutschland seit den „Strukturreformen“ (wie es in dem Bild genannt wird) vom Anfang des Jahrhunderts die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken ist und jetzt wieder steigt. Was man natürlich nicht sieht, ist die Tatsache, dass Deutschland genau in dieser Zeit seine enormen Leistungsbilanzüberschüsse aufgebaut hat, also Marktanteile im internationalen Handel gewonnen hat, weil es mit staatlich orchestriertem Lohndumping in der Europäischen Währungsunion seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat.
Das ist offensichtlich das Programm von Frau Reiche: Löhne und Lohnnebenkosten wie damals senken, die Nachbarländer und die Partner in der Währungsunion übers Ohr hauen und hoffen, dass die blöden Amerikaner auch diesmal erst nach 20 Jahren merken, dass sie die Verlierer sind. Bravo! Das ist Wirtschaftspolitik der blödesten Art, nämlich nach der Art von Gerhard Schröder und Frank-Walter Steinmeier. Die wiederholen wir einfach und feiern uns gleichzeitig als die besten Freihändler und größten Ordnungspolitiker aller Zeiten. Die Dummheit ist nicht mehr mit Worten zu beschreiben.