Saldenlogik falsch verstanden: Makroskop liegt voll daneben

Ein Leser macht mich darauf aufmerksam, wie die Redaktion von Makroskop die Frage eines ihrer Leser nach den Auswirkungen eines Rückgangs des deutschen Leistungsbilanzüberschusses beantwortet.

Die Frage des Makroskop-Lesers lautete: 

Wenn der Staat den vermutlich zu erwartenden geringeren Leistungsbilanzüberschuss durch eine höhere Verschuldung nicht ausgleicht, hieße das lediglich, dass die Ersparnis des Privatsektors geringer ausfiele. Das Wachstum wäre nicht notwendigerweise ebenfalls geringer, oder?

Die Antwort der Redaktion von Makroskop: 

An der Formel für die sektoralen Salden kann man nicht ablesen, wer im privaten Sektor wie reagiert, wenn der Außenbeitrag zurück geht und der Staat nicht reagiert. Man weiß lediglich, dass der Finanzierungssaldo des privaten Sektors – also Ersparnisse minus Investitionen – sinken muss. Entweder die privaten Ersparnisse gehen zurück (der Konsum steigt) oder die Unternehmen investieren. Beide Effekte können das BIP stützen oder sogar steigern

Sorry, liebe Kollegen von Makroskop, aber das ist vollkommener Unsinn. Das ist eine Verwendung der Finanzierungssalden, die total neben der Sache liegt. Es gibt keine Stützung des BIP durch Saldeneffekte! MMT (Modern Monetary Theory) reicht einfach nicht, um die wirtschaftliche Entwicklung zu verstehen und zu erklären.

Wenn der deutsche Leistungsbilanzüberschuss sinkt, sinken die Einkommen der Unternehmen (wie hier im Anhang erklärt), die daraufhin Arbeitskräfte entlassen und weniger investieren. Geschieht nichts von Seiten der Wirtschaftspolitik, sinkt das gesamtwirtschaftliche Einkommen, das BIP und es entsteht Arbeitslosigkeit. 

Was geschieht nun auf Seiten der Konsumenten? Makroskop nimmt an, dass die privaten Haushalte ihre Sparquote (bei dem von ihnen erwarteten Einkommen!) senken, weil nur so der Ausgleich der Salden zustandekommen kann, denn, wenn sich etwa die USA weniger gegenüber Deutschland verschulden, muss ja jemand weniger sparen, sonst gäbe es keinen Ausgleich der Salden.

Leider ist das ganz falsch gedacht, weil die entscheidende Größe vergessen wird: Das gesamtwirtschaftliche Einkommen. Wenn das BIP sinkt, sinken auch die Einkommen der privaten Haushalte. Das von den Haushalten ursprünglich einmal erwartete Einkommen gibt es nicht mehr. 

Die Folge für das Sparen ist leicht zu verstehen. Die privaten Haushalte senken keineswegs ihr Sparquote (also das Verhältnis von Sparen zum Einkommen), sondern ihr Sparen (in absoluter Größe) sinkt, weil ihr Einkommen sinkt. Nichts wird gestützt, sondern die privaten Haushalte nehmen einfach die Veränderung der Lage hin. Der Ausgleich der Salden geschieht, ohne dass das eine besondere Bedeutung hätte, schlicht durch den absoluten Rückgang des Sparbetrages bei sinkendem Einkommen.

Auch die Unternehmen denken nicht daran, mehr zu investieren, wenn sich ihr laufendes Geschäft verschlechtert. Sie investieren weniger. Das verschlechtert die wirtschaftliche Lage weiter, ohne dass es einen Gegeneffekt gäbe. 

Nun kommt die Wirtschaftspolitik ins Spiel. Unter der Annahme, dass der Staat (einschließlich der Geldpolitik) wirklich nichts tut, um die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren, gibt es eine Spirale nach unten, die niemals ein Ende findet (wie in dem obengenannten „Anhang“ gezeigt), obwohl der Ausgleich der Salden ex post „prima funktioniert“. 

Nun ist der Staat bei uns aber verpflichtet, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Er muss die Arbeitslosen unterstützen und auf anderen Wegen die gesellschaftliche Ordnung aufrechterhalten. Es gibt, sagte man früher, automatische Stabilisatoren, die den Staat zwingen, mehr Schulden zu machen, um die Spirale nach unten zu stoppen. 

Heutzutage kann man allerdings nicht mehr ausschließen, dass die Staatenlenker so uninformiert und ideologisch verbohrt sind, dass sie, wie man es derzeit durchaus beobachten kann, versuchen, auch solche Effekte noch „wegzusparen“, weil sie glauben, dass man durch Sparen nur Gutes tut. Dann ist diese Gesellschaft verloren, wenn sie von einem externen Schock wie der Verringerung oder gar dem Verschwinden ihres Leistungsbilanzüberschusses ausgesetzt ist. Sie taumelt von einer Regierung zur anderen bis eine ganz große Krise oder gar Katastrophe sie zwingt, radikal umzudenken.