Der Spiegel ist seit Jahrzehnten auf streng angebotspolitischem Kurs. Immer im Schlepptau des Mainstream und niemals mit einer ernsthaften Diagnose. Wenn das Blatt allerdings (wie hier am heutigen Tag) bloß Meldungen von Nachrichtenagenturen abschreibt, kann es plötzlich über Nachfrage reden und folglich eine halbwegs vernünftige Diagnose der Lage der deutschen Wirtschaft abliefern.
In der Industrie, so die erste Meldung von heute, bleibt der Auftragsmangel… aber ein klares Problem, es ist noch nicht gelöst. Mit den Worten „Fehlende Aufträge bleiben ein zentrales Problem für die Baubranche“, zitiert der Spiegel das ifo-Institut. Der Einzelhandel, oh Wunder, „kämpft mit der Zurückhaltung seiner Kunden“ (so wieder das ifo-Institut laut Spiegel).
Das ist wirklich ein klarer Befund: überall fehlt es an Nachfrage. Doch wo ist die Konsequenz? Ich habe schon vor einigen Tagen darauf hingewiesen, dass der Präsident des ifo-Instituts offensichtlich niemals mit seinen Mitarbeitern redet, weil auch er nicht weiß, woran die deutschen Unternehmen leiden. Vermutlich ist es auch innerhalb der deutschen Unternehmen so, dass die Mitarbeiter, die die Fragen von ifo beantworten, genau wissen, wo die Misere zu verorten ist, aber ihre Chefs sitzen auf so hohen Rössern, dass sie über alles in der Welt reden, aber nicht über das, was dem eigenen Unternehmen fehlt.
Wie sollen die deutschen Politiker jemals eine Orientierung bekommen, wenn das Gespräch über die Bedeutung der Nachfrage nach einem Tag schon wieder von den pauschalen und ideologischen Urteilen verdrängt wird, wonach alle Probleme auf der Angebotsseite zu finden sind?
Im Übrigen sind die jüngsten Ergebnisse von zwei Umfragen weit weniger positiv zu interpretieren, als es die meisten Medien tun. Die Tatsache, dass sich beim ifo-Index die Erwartungen der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe verbessert haben, während die Lage noch einmal schlechter beurteilt wird, lässt nicht wirklich auf Besserung schließen, weil dieser Teil der Befragung sehr korrekturanfällig und damit unzuverlässig ist. Auch der Tatsache, dass bei einer anderen Umfrage (PMI-Markit) der deutsche Dienstleistungsbereich plötzlich optimistisch wird, messe ich keine große Bedeutung zu. Hier gab es in den vergangenen vier Jahren wilde Schwankungen (um die 50 Punktelinie herum), die nichts mit der wirklichen Entwicklung der deutschen Wirtschaft zu tun hatten.
Woher soll ein Aufschwung auch kommen? Solange man sich in Berlin die Zeit mit Scheindiagnosen vertreibt und den „Sozialstaat“ ins Zentrum der Politik rückt, gibt es keinen Grund, an eine wirtschaftliche Wende zu glauben. Nichts fällt vom Himmel. Nur eine wirklich ehrliche Bestandsaufnahme in Sachen Wirtschafts-und Finanzpolitik kann eine Wende bringen. Dass diese Regierung dazu imstande wäre, ist mehr als zweifelhaft.