Im Herbst 2022 habe ich darauf hingewiesen (hier zu finden), dass ich im Januar 2021 bereits versucht hatte zu erklären, dass es in der Natur und in der Gesellschaft in der Regel keine über relevante Zeiträume verlaufenden exponentiellen Entwicklungen gibt (auch unter dem obigen link). Nun berichtet Aya Velàzquez über die Aussagen von Christian Drosten in einem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtages (hier zu finden). Daraus die beiden folgenden Abschnitte, der erste mit einem Zitat von Drosten.
„Er (Drosten) könne ganz klar sagen, die Grundannahme des Abgeordneten, das Virus habe sich nicht exponentiell verbreitet, sei falsch: Das Virus habe sich exponentiell verbreitet, aber man sei da „auf die ein oder andere Weise eingeschritten“.
Diese Aussage bedarf einer faktischen Einordnung. Die angeblich ohne Maßnahmen unendlich andauernde, exponentielle Verbreitung des Coronavirus ist das zentrale Narrativ, auf dem Drosten eine Notwendigkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen aufbaut. Die Epidemieausbreitung in Kontaktnetzwerken wird jedoch bereits seit 20 Jahren empirisch untersucht, wo man in der Regel ein verlangsamtes, statt einem exponentiellen Wachstum vorfindet. Die Forschergruppe um Viboud et al. hat bereits 2016 die Verzögerung gegenüber exponentiellem Wachstum für verschiedene historische Epidemien bestimmt. Eine verlangsamte, auf Dauer nicht exponentielle Verbreitung von Viren in menschlichen Netzwerken ist eigentlich Lehrbuchwissen. Ein Faktor, den Modellierer wie Priesemann und Co. in ihren exponentiellen Wachstumsmodellen nicht berücksichtigt haben, ist die Tatsache, dass Viren im Umkreis eines Indexfalls schnell auf “verbrauchte Wirte” treffen. Der systematische Fehler, der diesen Modellen zugrundeliegt, ist die Grundannahme von völlig zufällig in der Bevölkerung verteilten Folgekontakten.“
Ich kannte die hier zitierte naturwissenschaftliche Studie natürlich nicht, aber die Logik ist unerbittlich, ganz gleich, um welches Fach es geht. Es gibt die den mathematischen Ableitungen zugrundeliegenden Bedingungen für exponentielles Wachstum einfach nicht. Immer verschlechtert das Virus durch seine Existenz die Bedingungen, unter denen es sich ausbreiten kann, auch wenn niemand einschreitet. Folglich kann es sich niemals exponentiell verbreiten. Genau deswegen gibt es Wellen, aber keine Katastrophen.
Es ist ein Trauerspiel ohnegleichen, dass Drosten, die von ihm beratene Angela Merkel und viele andere während der Corona-Krise monatelang mit der exponentiellen Ausbreitung des Virus drohen konnten, obwohl jeder halbwegs gut ausgebildete Akademiker hätte wissen müssen, dass die Mathematik hier ein wirklich schlechter Ratgeber ist.