Deutschland, die gute Kraft, die Böses schafft

In Frankreich hat gerade der fünfte Regierungschef in zwei Jahren das Handtuch geworfen. Nichts außer einem sofortigen Rücktritt des Präsidenten wird jetzt ausreichen, um den wichtigsten Nachbarn Deutschlands politisch wieder in halbwegs stabiles Fahrwasser zu bringen. 

Da passt es gut, dass der deutsche Bundeskanzler vor drei Tagen dem noch amtierenden französischen Präsidenten in Saarbrücken ins Gesicht gesagt hat, Deutschland denke und handele europäisch. Wörtlich sagte Friedrich Merz: „Ich kann daher für mich, aber auch für die von mir geführte Bundesregierung sagen: Wir wollen für Europa die gute Kraft sein, die wir seit Konrad Adenauer immer wieder gewesen sind.“

Die gute Kraft! Frankreich bricht gerade politisch zusammen, weil Deutschland das Land mit seinen „Reformen“, seinen Leistungsbilanzüberschüssen und seiner Schuldenpolitk für Europa wirtschaftlich ruiniert hat, aber Deutschland feiert sich am Tag der deutschen Einheit als die gute Kraft Europas. Wer immer diesen Plot geschrieben hat, gehört sofort entlassen, so unrealistisch dürfen nicht einmal Satiren sein. 

Dazu passt auch, dass, wie die FAZ berichtet, gestern Abend Karen Miosga in ihrer Talkshow den Bundeskanzler aufgefordert hat, es seinem Vorgänger Schröder gleichzutun und das Land durch „Reformen“ wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Schröder, sagte die Moderatorin, „sei der einzige Bundeskanzler in Deutschland, der echte Sozialreformen durchgeführt“ habe. So wird es wohl sein. Die deutsche Lebenslüge, diese grandiose Mischung aus knallhartem Merkantilismus (wie hier zuletzt gezeigt) und dem Daherbeten europäischer Parolen ist präsenter denn je.

Was wir hier in Zeitlupe erleben, meine Damen und Herren, ist nicht weniger als der Untergang Europas. An der goldenen Bremm, dem Autobahngrenzübergang von Frankreich nach Deutschland bei Saarbrücken, hat man wahrscheinlich am 3. Oktober die deutschen Grenzkontrollen für eine Stunde weggeräumt, als der französiche Präsident mit seiner Kolonne passierte. Es hätte ihn vielleicht doch irritiert, deutsche Polizisten mit Maschinenpistolen zu sehen, die den Weg von seinem Land in das geliebte Nachbarland Tag und Nacht kontrollieren. Es hätte ihn vielleicht auch daran erinnert, dass zu Zeiten von Corona, die gleiche Grenze von deutscher Seite fest geschlossen wurde, um dem Virus mit Waffengewalt den Weg über die Grenze zu versperren. 

Deutschland ist die Kraft, die Gutes will und Böses schafft. Was selbst Goethe nicht bedachte: Schiere Dummheit ist es, die es deutschen Provinzpolitikern unmöglich macht, auch nur einen Schritt über die nationalen Grenzen und die intellektuellen Grenzen der schwäbischen Hausfrau hinauszukommen. Die Verehrung, die den Schröderschen „Reformen“ bis heute entgegengebracht wird, ist die unmittelbare Folge des Vakuums in Sachen ökonomischer Sachverstand, den man in der Politik, den Medien, der deutschen Öffentlichkeit und bei der großen Mehrheit der deutschen Ökonomen über Jahre und Jahrzehnte konstatieren muss. Das allerdings, die Tatsache, dass es fast einem ganzen Volk möglich ist, sich über Jahrzehnte hinter seiner eigenen Kleingeistigkeit zu verstecken, ist wirklich erschreckend.