Bundesamt: „Keine Neubewertung der wirtschaftlichen Entwicklung“ – nur die längste Rezession aller Zeiten übersehen

Deutschland schweigt. Während Donald Trump die Chefin einer Statistikbehörde feuert, weil er glaubt, die Behörde habe unangemessene Revisionen von Zahlen vorgenommen, schweigt die politische und ökonomische Elite Deutschlands angesichts der Tatsache, dass das Statistische Bundesamt Revisionen vorgenommen hat, die über Nacht die ökonomische Welt auf den Kopf stellen. Über Donald Trump regt man sich (zu Recht) auf. Ich weiß aber nicht, was schlimmer ist: Die öffentliche Kritik an Zahlen, die vermutlich niemand manipuliert hat, oder das dröhnende Schweigen zu einer Revision, die entweder das Ergebnis einer Manipulation oder das Ergebnis eines grandiosen sachlichen Versagens ist. 

Das Overton-Magazin hat im Nachgang zu meiner Kritik am Statistischen Bundesamt beim Amt nachgefragt, wie hoch das Bundesamt den politischen und wirtschaftlichen Schaden seiner Fehlberechnungen angesichts der Tatsache einschätzt, dass die jetzigen Ergebnisse mit fast sieben Quartalen eines rückläufigen BIPs in Deutschland zu einer völlig anderen Wirtschaftspolitik geführt hätten. Die Antwort des Amtes ist entlarvend:

„Im Zeitraum Ende 2022 bis Mitte 2024 wurden nach altem Datenstand vier Quartale mit negativem Vorzeichen veröffentlicht, nun sind es sechs. Nach unserer Ansicht gibt es insofern auch auf Quartalsbasis eine signifikant schlechtere Entwicklung, jedoch keine völlige Neubewertung der wirtschaftlichen Entwicklung.“

So einfach ist das! Keine völlig neue Bewertung der wirtschaftlichen Entwicklung, obwohl die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland aus dem Nichts von einer Phase der Stagnation in die längste Rezession der bundesdeutschen Geschichte gefallen ist. 

Die Abbildung 1 zeigt die Entwicklung vor und nach der Revision. Die schwarze Kurve zeigt, dass die Erholung nach dem Corona-Schock bis zum 3. Quartal 2022 angehoben wurde. Doch danach ging es stetig bergab. Es sind, sage und schreibe, acht Quartale bis zum 2. Quartal 2024, in denen es kein Wachstum in Deutschland gibt, wobei zweimal eine Null steht und sechs Mal eine negative Rate. 

Abbildung 1

Die Abbildung 2 zeigt die langfristige Entwicklung des BIP in Deutschland in Quartalen (vor der Revision ab 2021). In der interaktiven Graphik von FRED kann man die Werte der einzelnen Quartale aufrufen. Es gab überhaupt nur eine Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik mit zwei negativen Jahreswerten (hier nachzusehen). Das war 2002 und 2003. Doch die Quartalsgraphik zeigt, dass damals keineswegs von acht Quartalen ohne Wachstum die Rede war und auch die Jahreswerte gingen (mit minus 0,2 und minus 0,7) weniger stark zurück als diesmal (minus 0,7 und minus 0,5).

Abbildung 2

Doch genau diese Phase war es, die wirtschaftspolitisch den größten Umbruch brachten, den man sich denken kann. Eine Rot-Grüne Regierung warf alle ihre sozialen Vorstellungen über Bord und setzte mit der Agenda-Politik einen Politikwechsel durch, den niemand für möglich gehalten hatte und der Deutschland bis heute prägt.

Die Ampel startete Ende 2021. Danach gab es nur zwei Quartale Wachstum, dann in Wirklichkeit durchgehend Einbruch. Weil die alten Zahlen des Bundesamtes jedoch immer wieder Anstiege zeigten, die lediglich immer wieder von Rückgängen unterbrochen wurden, hatten die Politiker der Ampel durchgehend die Hoffnung, dass sich die Wirtschaft ohne massive staatliche Maßnahmen aus der Stagnation würde lösen könnte. Mit den richtigen Zahlen wäre das völlig anders gewesen.

Warum wohl habe ich im vergangenen Sommer einen Artikel geschrieben mit dem Titel: „Hallo, aufwachen! Es ist Rezession!“? Weil alle Journalisten wild darauf sind, zwei aufeinanderfolgende negative Quartale als Rezession (sogenannte technische Rezession) zu bezeichnen, gab es keinerlei Rezessionsdiskussion, denn es gab in den alten Zahlen keine zwei aufeinanderfolgenden negativen Quartale. Nun gibt es zweimal drei aufeinanderfolgende negative Quartale und zwei Nullquartale. Das ist eine völlig neue Welt.

Niemand hätte eine massive und politisch hochbrisante Rezessionsdiskussion verhindern können, wären die Zahlen bekannt gewesen. Die Regierung hätte sich dem Druck nicht erwehren können und eine expansive Fiskalpolitik umsetzen müssen, die diese Rezession viel früher zu einem Ende gebracht hätte. Deutschland hätte weit weniger Wachstumseinbußen zu verzeichnen gehabt, als es nach der „verschlafenen“ Rezession der Fall ist. Wer darin keine „Neubewertung“ der wirtschaftlichen Entwicklung sieht, ist ein Narr oder jemand mit einer klaren politischen Agenda. Beides sollte für ein statisches Amt ausgeschlossen sein.