Mehreren Lesern ist aufgefallen, dass ich in meinem Gespräch mit Markus Karsten gesagt habe, es bringe für Frankreich nichts, die Steuern zu erhöhen, weil das Problem die Nachfragelücke ist, die durch das Sparen entsteht und die würde durch höhere Steuern nicht automatisch verschwinden. Da stellt sich natürlich die Frage, ob man diese Nachfragelücke nicht dadurch schließen kann, dass man die hohen Einkommen so stark besteuert, dass sie deutlich weniger sparen. Wenn man durch Besteuerung die Sparsumme nennenswert verringern könnte, dann wäre das in der Tat ein Mittel, das sparbedingte Nachfrageproblem zu beheben.
Das ist im Prinzip eine richtige und wichtige Frage, aber sie ist leider nicht mit letzter Klarheit zu beantworten. Empirisch haben wir darüber keine Informationen, weil es noch niemand versucht hat. Außerdem wissen wir recht wenig über die Zusammensetzung der Ersparnis in einem Land. Wir wissen, dass die Haushalte mit den höheren Einkommen hohe bis extrem hohe Sparquoten haben, mir ist aber keine Statistik bekannt, die uns sagen könnte, wie die Größenverhältnisse sind, wie viel der 300 Milliarden, die in Deutschland von den privaten Haushalten gespart werden, von welchen Einkommensklassen kommen.
Wenn ich es richtig sehe, erbringt die Einkommensteuer in Deutschland etwa 300 Milliarden Euro pro Jahr. Da die Ersparnis auch in dieser Größenordnung liegt, müsste man bei den hohen Einkommen mit einer Steuererhöhung schon gewaltig zuschlagen, um die gesamte Ersparnis spürbar (sagen wir um 50 Milliarden) zu verringern. Die Unsicherheit dabei ist allerdings enorm hoch. Es kann ja durchaus sein, dass die betuchten Menschen ihre Käufe von Luxusgütern erheblich einschränken und nicht ihre Ersparnisse, wenn (oder sogar weil) sie vermehrt vom Staat zur Kasse gebeten werden. Die Luxusgüter „brauchen“ diese Haushalte genauso wenig wie ihre Ersparnisse, aber bei der Produktion der Luxusgüter entstehen immerhin Einkommen und Arbeitsplätze. Man muss zudem bedenken, dass die meisten reichen Menschen Unternehmen besitzen und folglich in der Lage sind, einen erheblichen Teil einer allgemeinen Steuererhöhung über die Preise wieder auf die Allgemeinheit zu überwälzen.
Politisch und wirtschaftlich wäre der Versuch, die begüterten Teile der Bevölkerung sehr hoch zusätzlich zu besteuern, um dadurch die Ersparnis der Volkswirtschaft deutlich zu senken, ein va banque Spiel. Nichts spricht dafür, es zu versuchen, weil die Alternative, eine schuldenfinanzierte Nachfragepolitik des Staates zur Verfügung steht, in vielen Ländern angewendet wird und in Europa nur an unseren primitiven Vorurteilen über staatliche Schulden scheitert.
Folglich bleibe ich bei meiner Position: Der Staat braucht keine höheren Steuern, um seine Schulden zu reduzieren, sondern um ganz andere Ziele zu erreichen. Er kann die Steuern erhöhen, aber das wird es ihm aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erlauben, seine Verschuldung zu verringern. Der Staat ist eben nicht mit einem Unternehmen vergleichbar, das in einer wirtschaftlichen Schieflage selbstverständlich versucht, seine Ausgaben zu reduzieren und seine Einnahmen zu erhöhen. Der Staat kann und muss die gesamtwirtschaftliche Schieflage dadurch beheben, dass er seine Ausgaben ganz unabhängig von seiner haushaltswirtschaftlichen Situation erhöht und sich die Mittel dafür am Kapitalmarkt besorgt.