Diskussionsbeitrag zu H. Flassbecks Analyse des Geld- und Währungssystems mit besonderer Berücksichtigung des Franken und der Schweizer Notenbank

Ein Gastbeitrag von Joachim Nanninga

Worum es geht

Ein Goldesel, der nur Gewinne, aber keinen Verlust machen kann? Heiner Flassbeck kritisiert, dass Zentralbanken wie die SNB mit selbst geschaffenem Geld reale zinstragende Vermögenstitel erwerben und daraus Gewinne erzielen – scheinbar ohne eigene Kosten. Mein Beitrag nimmt seine Provokation ernst und beleuchtet, wie moderne Zentralbankbilanzen tatsächlich funktionieren, ob „Verluste“ und „Gewinne“ in diesem Kontext entstehen und womöglich anders zu verstehen sind als im normalen Geschäftsleben – und weshalb es gefährlich sein kann, Systemlogik mit Gerechtigkeitsfragen zu vermengen. Dabei wird ein zentrales Ziel verfolgt: die Trennung von systemischer Analyse und normativer Bewertung als Voraussetzung für eine konstruktive Weiterentwicklung des internationalen Geld- und Währungsregimes.

I.              Einleitung

Die folgenden Überlegungen sind im Kontext einer intensiven fachlichen Diskussion mit Heiner Flassbeck entstanden, in der wir unterschiedliche Auffassungen zur Rolle und Funktion von Zentralbanken, insbesondere im internationalen Währungssystem, ausgetauscht haben. Im Mittelpunkt steht dabei die Schweizerische Nationalbank (SNB) und ihr Vorgehen beim Erwerb von US-Staatsanleihen mit selbst geschöpftem Zentralbankgeld.

Flassbeck äußert in diesem Zusammenhang grundlegende Kritik: Er sieht in dieser Praxis eine unzulässige Vorteilsnahme – eine Art „Goldesel“-Mechanismus, durch den die SNB und mit ihr die Schweiz ohne reale Gegenleistung zu Zinsgewinnen komme.

Ich versuche in meiner Antwort, diese Kritik systematisch aufzugreifen, mit den Regeln der doppelten Buchführung zu konfrontieren und vor dem Hintergrund des modernen Geld- und Bankensystems zu analysieren. Dabei geht es nicht nur um technische Bilanzfragen, sondern auch um makroökonomische Wirkungen, Wechselkursmechanismen und normative Implikationen.

Der Text richtet sich an Leserinnen und Leser, die sich für die strukturellen Grundlagen unseres Geldsystems interessieren – und für die Frage, wie man zentrale Institutionen wie Zentralbanken richtig verstehen und bewerten sollte.

Dieses Papier ist eine Replik auf zentrale Argumente von Heiner Flassbeck zur Rolle der Zentralbanken im internationalen Geldsystem – insbesondere am Beispiel der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und ihrer Ankäufe von US-Staatsanleihen (UST). Ausgangspunkt der Diskussion ist die Frage, ob die SNB durch den Erwerb zinstragender US-Staatspapiere mit selbst geschaffenem Zentralbankgeld eine systemisch problematische oder gar unrechtmäßige Vorteilsnahme betreibt.

Im Mittelpunkt stehen dabei sowohl buchhalterische als auch ökonomische Bewertungen:

•   Welche Rolle spielt die doppelte Buchführung im Verständnis moderner Geldschöpfung?

•   Lassen sich Gewinne oder Verluste von Zentralbanken ökonomisch sinnvoll bestimmen – oder sind sie rein bilanztechnische Artefakte?

•   Welche realwirtschaftlichen Wirkungen gehen mit Wechselkursveränderungen und Zentralbankbilanzen tatsächlich einher?

•   Und: Gibt es tragfähige Argumente dafür, dass nationale Zentralbanken durch ihre Devisenpolitik strukturelle Ungleichgewichte im internationalen Finanzsystem verschärfen?

Der Text argumentiert systemisch und analytisch. Er versucht, deskriptive Aussagen über das Geldsystem von normativen Bewertungen zu trennen – und gleichzeitig strukturelle Fragen globaler Währungsordnung in den Blick zu nehmen. Er versteht sich als konstruktiver Beitrag zu einer fundierten Debatte.

In meinem Beitrag geht es mir ausdrücklich nicht darum, die konkrete Politik der Schweizerischen Nationalbank zu rechtfertigen, sondern allein darum, die systemischen Mechanismen unseres modernen Geld- und Währungssystems analytisch sauber zu beschreiben und von normativen Bewertungen zu trennen.

II.           Eine Institution mit unerhörtem Privileg

Flassbecks Formulierung, am Ende des Geld-Systems stehe „eine Institution mit einem unerhörten Privileg“ – nämlich Geld zu Nullkosten schaffen und damit reale Vermögenstitel erwerben zu können – trifft einen Punkt, der jedoch nicht exklusiv die Zentralbank betrifft. Dieses Privileg ist nicht einzigartig, sondern strukturell dem gesamten Bankensystem immanent. Es ergibt sich aus der Funktionsweise der Kreditgeldschöpfung: Banken treten systematisch als Intermediäre zwischen Debitoren und Kreditoren auf, indem sie auf beiden Seiten ihrer Bilanz spiegelbildlich Einlagen und Kredite schaffen. Dazu benötigen sie selbst kein vorher angespartes Vermögen, sondern lediglich das regulatorisch erforderliche Eigenkapital sowie die Fähigkeit, am Zentralbank-Clearing teilzunehmen. Solange die Zahlungsströme bankintern ausgeglichen sind, bedarf es keiner zusätzlichen Zentralbankliquidität. Liquiditätsbedarf gegenüber der Zentralbank entsteht erst bei einem Nettoabfluss – etwa durch Barabhebungen oder Überweisungen an andere Banken.

Das Privileg“ der „Geldschöpfung“ ohne realwirtschaftliche Vorleistung oder Kapitaleinsatz gilt also für alle Banken gleichermaßen – die Zentralbank unterscheidet sich davon nicht durch ihre Fähigkeit zur Geldschöpfung, sondern durch ihren gesetzlichen Monopolstatus und ihre Rolle als letzte Instanz im Clearingprozess. Ihre Fähigkeit, Vermögenstitel wie UST zu erwerben, ist buchhalterisch vergleichbar mit dem Vorgehen privater Banken – nur dass ihre Bilanzsumme und politische Tragweite andere Dimensionen erreicht. Realwirtschaftliche Vorleistung oder Kapitaleinsatz ist systembedingt kein Bestandteil der Entstehung von Zahlungsmitteln, sondern nur aufgrund gesetzlicher Bestimmungen in Abhängigkeit vom Kreditvolumen vorgeschrieben. Bargeldemission ist Geschäftsbanken ohnehin untersagt.

Weder das Bankensystem als Ganzes noch als einzelne Bank die Zentralbank für sich können in einen Liquiditätsmangel geraten, weil das gesamte Bankkreditvolumen immer gleich dem gesamten Einlagenvolumen ist. Der im Bankensystem generierte Gewinn ist damit systembedingt immer ohne besonderes Vermögen generiert – wenn wir das, was gesetzlich vorgeschrieben ist, vernachlässigen.

Alle Gewinne und Verluste, die im gesamten Bankensystem – Geschäftsbanken und Zentralbank – anfallen, wirken zulasten oder zugunsten des Nicht-Banken-Sektors. Der Banken-Bereich ist insofern BIP-neutral. Seine Gewinne, die er auf Kosten der tatsächliche Leistungen erzeugenden Unternehmen und zulasten der privaten Haushalte erzielt, fließen den Eigentümern der Banken zu. Verluste des Bankensektors durch Kreditausfall sind umgekehrt Einnahmen der Bankrotteure zulasten des Bankensektors.

Auf die Bilanz einer Bank (sei es Zentralbank oder Geschäftsbank) genommene Assets vermehren nicht das Vermögen der Bank, weil der Prozess nur im Austausch gegen Verbindlichkeiten der Bank gegenüber dem Verkäufer der Assets zustande kommen. Diese Assets können kein „Gewinn“ sein, sondern sind lediglich Bilanzverlängerung. Sonst wäre der Verkauf der Assets auch Verlust, und keine Bank wollte mehr verkaufen. Aber ohne werthaltige Entschädigung würde auch kein Wirtschafter sein Assets an die Bank abtreten. 

III.        Ausgangspunkt: Die ungewöhnliche Vermögensposition der SNB

1. Eine Brutto-Position – was steht dagegen?

Die Devisenreserven der SNB (z. B. UST, die US-Anleihen) erscheinen auf der Aktivseite ihrer Bilanz. Auf der Passivseite stehen die Sichteinlagen der Geschäftsbanken, die durch den Ankauf dieser Devisen (z. B. via Intervention am Devisenmarkt) als Verbindlichkeiten der SNB entstanden sind. Es handelt sich also um eine bruttomäßig große Bilanz, nicht um „Vermögen ohne Gegenbuchung“. Es besteht eine symmetrische Buchungspflicht, auch wenn die Passivseite ungewöhnlich zinsarm ist (siehe nächste Frage Punkt 2.)


2. Werden diese Verbindlichkeiten verzinst?

Über viele Jahre hinweg hat die SNB auf einen sehr niedrigen, teils sogar negativen Einlagenzins gesetzt – z. B. betrug der Zinssatz für Einlagen von Geschäftsbanken bei der SNB von 2015 bis 2022 minus 0,75 %. Das heißt: Die Banken haben für ihre Guthaben sogar Strafzinsen gezahlt. Erst ab September 2022 wurde der Leitzins schrittweise erhöht (2024: 1,75 %).

Das hat zwei wichtige Effekte:

  • Die Verbindlichkeiten auf der Passivseite (Bankeinlagen) sind extrem zinsgünstig für die SNB – und erlauben daher hohe Nettozinserträge, wenn die SNB im Gegenzug zinstragende UST hält.
  • Gleichzeitig dämpft ein niedriger Zins den Aufwertungsdruck auf den Franken, weil für internationale Investoren die Verzinsung von Franken-Anlagen unattraktiv ist.

3. Warum verkaufen ausländische Halter ihre UST an die SNB?

Es handelt sich i. d. R. nicht um direkte Verkäufe an die SNB, sondern um Käufe über den Sekundärmarkt (z. B. über Banken oder Broker). Verkäufer könnten z. B. sein:

  • Pensionsfonds oder Banken, die Liquidität brauchen,
  • Marktteilnehmer, die Kursgewinne realisieren wollen,
  • Institutionen, die Währungsrisiken abbauen oder Portfolios umschichten.

Sie verkaufen UST, weil die SNB als großer, stetiger Käufer auftritt, was Liquidität und tendenziell leicht höhere Preise (d. h. niedrigere Renditen) bedeutet.


4. Wie wirken SNB-Käufe von UST auf deren Kurse und Renditen?

Die Käufe der SNB erhöhen die Nachfrage nach UST am Sekundärmarkt. Das hat zwei typische Effekte:

  • Der Preis der Anleihen steigt (bei gegebener Kuponhöhe),
  • Die Marktrendite (Yield to Maturity) sinkt entsprechend.

Wer profitiert davon?

  • Die USA als Schuldnerstaat, weil die Marktverzinsung durch die Käufe gedämpft wird – sie können sich günstiger verschulden.
  • Auch andere Halter von UST profitieren von Kursgewinnen, wenn sie vor der SNB-Kaufwelle gekauft haben.

In gewisser Weise handelt es sich also um eine Art indirekter Subventionierung der US-Staatsfinanzen durch die SNB – jedoch in einer paradoxen Konstellation: Denn diese „Subvention“ ist für die SNB selbst nicht mit einem ökonomischen Aufwand verbunden, sondern hat ihr über Jahre hinweg sogar beträchtliche Zinserträge eingebracht. Die SNB erhält damit nicht nur Vermögenswerte ohne Vorleistung im klassischen Sinne, sondern erzielt daraus regelmäßige Einnahmen, die zum Teil sogar in den schweizerischen Sozialhaushalt fließen konnten – ein Umstand, der die normative Bewertung dieses Mechanismus politisch besonders heikel macht.


Ein ökonomischer „Nachteil“ für die USA durch die SNB-Käufe von US-Staatsanleihen (UST) lässt sich nicht ohne Weiteres belegen. Aus Sicht der US-Treasury ist es unerheblich, wer die Anleihen hält – entscheidend ist nur, dass sie gezeichnet werden. Der Zinsaufwand des Staates ergibt sich aus dem Marktpreis bei der Emission (bzw. aus den Kupons und Kursbewegungen), nicht aus der nationalen Zugehörigkeit des Käufers. Die SNB tritt dabei lediglich an die Stelle privater oder institutioneller Käufer – ein Substitutionseffekt ohne unmittelbare Belastung für den US-Haushalt.

Wenn es überhaupt ein „Problem“ für die USA gibt, dann liegt es in einem anderen Bereich: Der systematische Aufkauf von USD durch die SNB, mit dem Ziel, eine Aufwertung des Franken zu verhindern, kann als Währungsmanipulationinterpretiert werden – vor allem dann, wenn dies dem Ziel dient, die eigene Exportwirtschaft künstlich wettbewerbsfähig zu halten. In diesem Fall könnten sich handelspolitisch betroffene Länder – wie die USA – benachteiligt sehen.

Entscheidend für die Bewertung ist daher:

  • War die Maßnahme der SNB marktverzerrend?
  • Diente sie nur zur Abwehr spekulativer Kapitalströme (z. B. „safe haven“-Effekte in Krisenzeiten)?
  • Oder verfolgte sie aktiv industriepolitische Ziele zulasten anderer Länder?

In dem Maß, in dem die SNB nur reagierte (etwa auf Kapitalflucht in den Franken), wäre ihre Politik makrostabilisierend – nicht wettbewerbsverzerrend. In dem Maß, in dem sie agierte, hätte ein Vorwurf der Währungsmanipulation eine Berechtigung.

Die Schweiz (die SNB) scheint durch das Halten von UST große Vorteile erwirtschaftet zu haben, die durch das moderne Geldsystem, das Weltwährungssystem, die internationalen Salden im Leistungstransfer mit dem Leistungsbilanzdefizit der USA und durch die Staatsverschuldung der USA, die mit UST gegenfinanziert wurden, ermöglicht wurden.

Sie – bzw. konkret ihre Zentralbank – hat durch dieses Halten von UST (US-Staatsanleihen) tatsächlich erhebliche Vorteile erzielt, die sich aus der besonderen Architektur des modernen globalen Geld- und Währungssystems ergeben. Diese Vorteile sind jedoch nicht aus dem „Nichts“ entstanden, sondern beruhen auf einem System gegenseitiger Interdependenz:

1:  Die USA erlauben es – anders als viele andere Länder – institutionellen Akteuren weltweit, ihre Staatsschulden in Form von UST zu erwerben. Diese Offenheit macht die UST zum wichtigsten Reservevermögenswert weltweit und sichert dem Dollar seine dominante Stellung als Weltwährung.

2:  Die Schweiz nutzt diese Offenheit, um durch massive Deviseninterventionen eine übermäßige Aufwertung des Franken zu verhindern. Dies führt zu einem strategischen Aufbau von Dollar-Reserven, in die die SNB u. a. über den Kauf von UST investiert.

3:  Der Zinsgewinn, den die SNB aus diesen Anleihen zieht, stellt für sie ein reales Einkommen dar – auch wenn dem kein realwirtschaftlicher Leistungsinput entspricht. Dieser „Ertrag ohne Aufwand“ wird durch die Rolle der SNB als souveräne Akteurin im internationalen Währungssystem ermöglicht.

Diese Konstellation wäre allerdings nicht möglich, wenn es kein Leistungsbilanzdefizit der USA gäbe, das zu einem Kapitalimport führt – und wenn die USA nicht bereit wären, ihre Staatsverschuldung über liquide und fungible Anleihen wie UST zu finanzieren. Die SNB profitiert also nicht von einem Fehler im System, sondern von seiner Systemlogik.

Ob dies gerechtfertigt, asymmetrisch oder „ausbeuterisch“ ist, ist eine normative Bewertung – aber keine saldenmechanisch oder systemisch zwingende Kritik.

Übersicht: Zinserträge und Wechselkursverluste der SNB (2021–2023)

JahrZinserträge (in Mrd. CHF)Wechselkursverluste (in Mrd. CHF)Nettoergebnis (in Mrd. CHF)
20217,9–12,0–4,1
20223,7–131,5–132,5
20233,6–20,0–15,8

Hinweis: Die Zahlen sind gerundet und basieren auf den verfügbaren Geschäftsberichten der SNB.

Erläuterungen

•   Zinserträge: Diese resultieren hauptsächlich aus den Erträgen auf den umfangreichen Devisenreserven der SNB, insbesondere aus US-Staatsanleihen.

•   Wechselkursverluste: Die SNB hält einen Großteil ihrer Devisenreserven in Fremdwährungen. Eine Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber diesen Währungen führt zu Buchverlusten bei der Umrechnung dieser Vermögenswerte.

•   Nettoergebnis: Dies ist das Gesamtergebnis nach Berücksichtigung aller Erträge und Aufwendungen, einschließlich Zinserträgen, Wechselkursgewinnen/-verlusten und anderen Faktoren.

Fazit

Die SNB hat in den Jahren 2021 bis 2023 trotz signifikanter Zinserträge erhebliche Verluste erlitten, hauptsächlich aufgrund von Wechselkursverlusten infolge der Aufwertung des Schweizer Frankens. Diese Verluste haben das Nettoergebnis der SNB in diesen Jahren negativ beeinflusst.

Auch wenn der Eindruck entsteht, dass die SNB durch den Aufkauf von US-Staatsanleihen ohne eigenen Aufwand einträgliche Zinsgewinne erzielt hat, relativieren die bilanziellen Entwicklungen der letzten Jahre dieses Bild erheblich. Zwar beliefen sich die Zinserträge aus den Fremdwährungsanlagen im Jahr 2022 auf rund 3,7 Mrd. CHF und im Jahr 2023 auf etwa 3,6 Mrd. CHF, doch diesen Einnahmen stehen dramatische Verluste aus Währungsumrechnungen gegenüber: 2022 betrug der Verlust durch Wechselkursveränderungen über 131 Mrd. CHF, im Jahr 2023 lag er bei knapp 16 Mrd. CHF. Diese Zahlen zeigen, dass die vermeintlich einseitige Vorteilslage der SNB nicht realisiert wurde. Vielmehr wird deutlich, dass das Halten und Management großer Devisenpositionen durch eine Notenbank mit erheblichen Risiken behaftet ist, die in einzelnen Jahren zu massiven Verlusten führen können – und zwar in Größenordnungen, die die Zinserträge bei Weitem übersteigen. Die SNB agiert in diesem Sinne nicht als risikoloser Profiteur, sondern als Akteur in einem hochvolatilen makroökonomischen Umfeld.

IV.    Der „Goldesel“-Vergleich – eine buchhalterische Klarstellung

Zugleich Feedback zum Artikel von .Flassbeck: „Der Goldesel und die Deutsche Bundesbank“ (Zitate aus dem Artikel kursiv)

Selbstverständlich können Notenbanken mit negativem Eigenkapital weiterarbeiten und benötigen keine Kapitalzufuhr. Der Grund: 

1. für sie gilt die Insolvenzordnung nicht und 

2.  sie können nicht illiquide werden. Denn Verbindlichkeiten der Zentralbank sind logisch zwingend immer zugleich Einlagen ihrer Kunden bei ihr selbst. Der Spruch „… auf Kosten der Steuerzahler“ ist ohnehin unangebracht. 

Die Verluste der Bundesbank entstanden wohl im Rahmen von Neubewertungen, die ihrerseits infolge von Zinsänderungen aufgrund der Entscheidung der Zentralbank erfolgten, also durch eigene Aktion bewirkt – das verändert aber nicht die Verlust-Wirkung. 

Dass überhaupt jemand das Wort „Verlust“ im Zusammenhang mit der Notenbank in den Mund nimmt, ist schon ein Witz. Macht der Goldesel Verluste, wenn der Preis des Goldes einmal sinkt?“

Dass die Zentralbank ihre Transaktionen buchhalterisch im Sinne der doppelten Buchführung festhält, ist genauso vernünftig, wie dies für den Bankensektor insgesamt gilt. Dass ein Geschäftsbericht der Banken nach den Regeln für Kapitalgesellschaften gefertigt wird, halte ich für ebenso richtig. 

Geschäftsbanken können allerdings zusammenbrechen, was allerdings gar nicht sein müsste, wenn es nur eine einzige Geschäftsbank gäbe, oder wenn – was letztlich auf dasselbe hinausliefe – die Zentralbank zugleich auch die einzige Geschäftsbank wäre. In der Fachliteratur werden deshalb auch gerne die Zusammenhänge vereinfachend an dem Modell einer einzigen Generaldepositenbank entwickelt. (Albert Hahn, Volkswirtschaftliche Theorie des Bankkredits, 1920)

 „Macht der Goldesel Verluste, wenn der Preis des Goldes einmal sinkt?“

Diese rhetorische Frage will ich gerne ernst nehmen. Kapitalgesellschaften buchen zum Anschaffungswert. Aktiva, die im Kurs steigen, sollen nach den hergebrachten Regeln in Deutschland nicht neu bewertet werden, sondern zum Anschaffungswert stehen bleiben. Die Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften hat häufig das Interesse, bei positiver Kursentwicklung der Aktiva gewinnbildend Neubewertung vorzunehmen, und ist darin vom Gesetzgeber leider unterstützt worden. Für die Beurteilung der Art und Weise der Geschäftsführung ist das aber nachteilig, weil dieser Erfolg mit der Leistung der Geschäftsführung nichts zu tun hat.

Flassbecks Frage – „Macht der Goldesel Verluste, wenn der Preis des Goldes einmal sinkt?“ – trifft, bei allem ironischen Unterton, einen wunden Punkt in der Bewertungspraxis von Vermögenspositionen. Wenn man diesen Vergleich ernst nimmt, müsste man umgekehrt auch fragen: Macht der Goldesel denn Gewinne, wenn der Goldpreis steigt? Und genau hier wird es spannend. Denn während Kapitalgesellschaften nach deutschem HGB grundsätzlich zum Anschaffungswert bilanzieren und stille Reserven nicht realisieren dürfen, erlaubt das IFRS-Regime zunehmend zeitwertbezogene Bewertungen – d. h. Gewinne durch Neubewertung ohne Verkauf. Diese Bilanzierungsweise hat den Effekt, dass Geschäftsführungen oft für Wertzuwächse belohnt werden, die mit ihrer eigenen betrieblichen Leistung wenig zu tun haben. Das kommt für Zentralbanken allerdings, wenn überhaupt, nur in geringem Umfang vor, weil Defizit-Länder eben nicht über große Reserven-Bestände verfügen, die im Abwertungsfall ihrer eigenen Währung einen Buchgewinn versprächen.

Insofern ist Flassbecks Bild vom Goldesel irreführend: Wenn man die Marktpreise gelten lässt, entstehen durch deren Veränderung buchhalterische Gewinne oder Verluste, unabhängig davon, ob der Goldesel tatsächlich mehr oder weniger geschüttelt wurde. Gerade weil das Ergebnis der Bilanz (und damit auch die öffentliche Debatte um Gewinne oder Verluste) sich aus dieser Bewertungslogik speist, kann man diese Veränderungen nicht einfach als irrelevant abtun.

Wenn eine Zentralbank wie die SNB über Jahre hohe Erträge aus Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen vereinnahmt und gleichzeitig ihre Währungsreserven durch Marktpreisänderungen abwertet, dann ist es wirtschaftlich widersprüchlich, die Verluste als „fiktiv“ und die Gewinne als „real“ zu deklarieren. Wer das tut, argumentiert selektiv. Ein konsistenter Maßstab müsste entweder beide Effekte als bilanziell bedingt, aber ökonomisch nicht substanziell betrachten – oder beide als reale wirtschaftliche Wirkungen, die jeweils Verhaltensspielräume und politische Entscheidungsprozesse beeinflussen können.

Man kann die Handlungsmöglichkeiten und die Bilanz einer Notenbank nicht angemessen analysieren und verstehen, wenn man sie wie ein normales Wirtschaftsobjekt betrachtet.“

Sie ist kein normales Wirtschaftssubjekt oder -objekt. Geschäftsbanken sind es auch nicht. 

Deswegen verbietet sich jede Analogie zur Privatwirtschaft von vorneherein.“

Es ist sinnvoll, genau zu benennen, wo die Unterschiede liegen. Vom Bankensektor die Einhaltung der Regeln der doppelten Buchführung zu fordern, ist keine Analogie und halte ich allerdings für unverzichtbar, wenn man überhaupt auf dem Anspruch der Transparenz bestehen will. Der Geschäftsbericht einer Bank muss allerdings anders interpretiert werden als der eines Unternehmens, das eine Nicht-Bank ist. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Zentralbank geht.

Es wäre gut, wenn die Spitze der Zentralbank nicht über Sorgen redete, die keine vernünftige Basis haben.“

Das allgemeine Unverständnis des modernen Geldsystems und des dazu gehörigen Bankensystems einschließlich der Zentralbank ist so groß, dass Fehlinformationen in den Medien immer wieder Sorgen entstehen lassen, die durch Aufklärung zerstreut werden sollten. Ohne die Grundsätze der doppelten Buchführung halte ich die Aufklärung für aussichtslos.

Notenbanken haben eine ganz eigentümliche Bilanz. Bei ihnen steht auf der Passivseite (also der Seite, wo bei einem Unternehmen oder einer Bank die normalen Verbindlichkeiten, die Schulden, stehen) das, was sie selbst herstellen, nämlich das Geld.“ 

Soeben hieß es noch, dass eine Analogie zur Privatwirtschaft sich verbietet. Hier kommt aber eine Analogie, die ich für irreführend halte, nämlich dass Banken etwas „herstellten“, nämlich „Geld“. In der produzierenden Industrie werden die hergestellten Produkte zurecht als Aktiva gebucht – und zwar zu ihren Erzeugungskosten auf einem Aktivkonto für fertige Produkte. Erst wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem höheren Preis verkauft werden, entsteht ein Gewinn. Im Bankenbereich gibt es dagegen keinen Herstellungsprozess. Die Bank stellt nichts her. Sie bucht auch nicht etwas Hergestelltes, und dann erst recht nicht falsch als Passivum. Schon gar nicht wird „Geld“, gewissermaßen auf Vorrat in Erwartung, jemand wolle es kaufen, hergestellt und in einem Aktivkonto verbucht. Lediglich die vom Finanzminister geschlagenen Scheidemünzen kauft die Zentralbank dem Fiskus ab und verbucht sie als Aktivum. Diese Transaktion ist für die Zentralbank vermögensneutral: Soll: Münzgeld an Haben: Fiskus. 

V.           Das Geschäft der SNB im Vergleich zum Geschäftsbankensystem

Wenn im Rahmen einer Kreditvergabe eine Bankverbindlichkeit als Passivum verbucht wird, wird im Buchungssatz zugleich eine Forderung gegen den Bankkunden als Aktivum gebucht. Nichts wurde hergestellt. Dieser Vorgang kann so auch unter Nichtbanken – also ohne Banken – stattfinden. Das Besondere daran, wenn eine Bank im Spiel ist, liegt darin, dass der Bankkunde seine Forderung an Dritte abtreten kann, nicht nur an solche, die ein Konto bei der eigenen Geschäftsbank haben, sondern sogar an Geschäftspartner, deren Konto von einer anderen Geschäftsbank geführt wird, weil alle Welt die abgetretene Forderung gegen die Bank als Zahlungsmittel akzeptiert. Diese so transferablen Forderungen sind deshalb Zahlungsmittel. Grundsätzlich könnten auch Forderungen unter Privaten zu Zahlungszwecken genutzt werden, wenn diese Privaten es so wollten. Es scheint aber ziemlich aus der Mode gekommen zu sein, mit Wechseln zu bezahlen.

VI.    Aus dem Nichts – die Rache der Metapher

In der Betrachtung des Bankgeschäfts (sowohl Geschäfts- wie Zentralbank) rächt sich die beliebte, an der biblischen Schöpfungsgeschichte orientierte Metapher der „Schöpfung aus dem Nichts“, als wenn die Banken nachts den Goldesel schüttelten (auch „Gelddrucken“ genannt), um morgens genug Geldvorrat zur Bedienung aller Kreditwünsche zu haben. Saldenmechanisch gilt dagegen die jederzeitige Identität zwischen Bank-Kreditvolumen und Bank-Einlagenvolumen, wie der Identität zwischen Zentralbank-Kreditvolumen und Zentralbankgeld-Volumen.

VII.   Gewinne und Verluste der Zentralbank – buchhalterisch und real

Nur, worauf beziehen sich die Verbindlichkeiten der Zentralbank, die auch zu einem Bilanzverlust führen können?“

Die Verbindlichkeiten – also Passiva – führen nicht zu Verlusten, es sei denn die Zentralbank hätte in Fremdwährung denominierte Verbindlichkeiten auf ihre Bilanz genommen und die eigene Währung hätte danach im Verhältnis zu dieser Fremdwährung abgewertet, was mir bislang noch nicht bekannt geworden ist. In eigener Währung denominierte Verbindlichkeiten verändern ihren nominalen Wert nicht. Lediglich die Verzinsung dieser Einlagen ist Aufwand und geht als solcher in die Gewinn- und Verlustrechnung ein, ebenso wie eine negative Verzinsung als Ertrag wirksam würde. Staaten, z. B. Argentinien, haben aufgrund von Devisenmangel Anleihen in Fremdwährung denominiert begeben, was höchst kritisch ist. 
Was für eine Zentralbank verlustbringend wäre, sind die Neubewertungen der im Kurs gesunkenen Aktiva, also Neubewertung von Forderungen.

Was hat der Kauf der Papiere auf der Aktivseite die Notenbank de facto gekostet, oder mit anderen Worten, wie viel Arbeit und Schweiß musste sie einsetzen, um diese Papiere zu kaufen? Die Antwort ist einfach: Nichts hat es gekostet!“

Der Aufwand in der Geschäftsführung einer Bank, Vorstand, Stabsabteilungen, Buchhaltung, Sachbearbeitung, Mieten, EDV etc. machen die Kosten aus – bei Geschäftsbanken wie bei der Zentralbank. Das kann, umgelegt auf eine einzelne Transaktion, recht übersichtlich sein. Die Transaktion hat aber nicht, wie Flassbeck irrig annimmt zu einem Gewinn in Höhe des Kaufpreises des Papiers geführt, weil in gleicher Höhe Kaufkosten als Verbindlichkeit zu buchen sind.

Die Bilanzrechnung der Zentralbanken ist deswegen absurd und irreführend, weil sie die Entstehung dieses gewaltigen Vermögens nicht als Gewinn verbucht, was es eindeutig ist, sondern als „Bilanzverlängerung“.“ 

Ich halte es für irreführend, die Beschaffungstransaktionen von Wertpapieren durch Banken – Geschäftsbanken wie Zentralbanken – als netto-vermögenswirksam zu beschreiben. Es ist brutto vermögenswirksam, weil es aktivisch gebucht wird, dem allerdings die gleichzeitige passivische Buchung der Verbindlichkeit entspricht. Das ist tatsächlich die Bilanzverlängerung, die die einzig richtige Verfahrensweise darstellt. Vermögenswirksam sind, weil es sich um Aufwand handelt, lediglich die oben beschriebenen geschäftlichen Kosten des Bankbetriebs, zu dem die Durchführung der Transaktionen gehört. Sie gehen belastend in die Gewinn- und Verlustrechnung ein.

Bei der Zentralbank steht aber auf der Passivseite das Geld, das sie selbst aus dem Nichts geschaffen hat. Das ist aber keine „Schuld“ in einem wirtschaftlichen Sinne, denn da ist nichts, was die Zentralbank an irgendjemanden zurückzahlen müsste.“

Diese Darstellung ist nicht korrekt. Auf der Passivseite der Bilanz der Zentralbank steht ihre Verbindlichkeit, die aus der Sicht der Geschäftsbank, für die die Zentralbank das Konto führt, eine Forderung gegen die Zentralbank ist. Diese Forderung kann die Geschäftsbank nutzen, z. B., um

  • eingelieferte („pensionierte“) Wertpapiere wieder auszulösen, 
  • bei einer Versteigerung von Staatspapieren solche zu bezahlen, 
  • sich von der Zentralbank Bargeld aus „Papier“ (eher Baumwolle) geben zu lassen, 
  • ihre Verbindlichkeiten gegen andere Geschäftsbanken abzulösen, 
  • von anderer Stelle Devisen zu kaufen, 
  • für ihre eigenen Kunden Steuerzahlungen an den Fiskus weiterzuleiten. etc. 

Die Geschäftsbank kann dabei auf eigene Rechnung handeln wie auch geldvermögensneutral im Auftrag von Kunden, um für diese den Zahlungsverkehr abzuwickeln. Diese Funktion der Zahlungsabwicklung für Dritte gehört neben den Kreditgewährung zu den Zentralfunktionen der Banken. Wie die Erledigung dieser Funktionen ohne korrekte doppelte Buchführung erledigt werden sollte, müsste erst noch konzeptionell erfunden werden. Wenn nun für die Buchung des Erwerbs einer Staatsanleihe durch die Zentralbank auf die Gegenbuchung der echten, werthaltigen und für alle Transaktionen der Geschäftsbank nutzbaren Zentralbankverbindlichkeit gegenüber dem Verkäufer der Anleihe verzichtet würde, würde kein Inhaber einer Anleihe verkaufen wollen. Keine Privatmann würde mehr eine Anleihe an seine Geschäftsbank eine Anleihe verkaufen, wenn er von seiner Bank keine Gutschrift erhielte, weil seine Bank ihm mitteilen müsste, dass sie selbst die Gutschrift von der Zentralbank nicht erhielte. Der Verkauf (oder das Pensionieren) zentralbankfähiger Assets an die Zentralbank ist aber die einzige Möglichkeit der Geschäftsbank, an Zentralbankgeld zu gelangen. Das ist ein tägliches Hin und Her, ohne das das moderne Geldsystem zusammenbrechen würde.

Eine Zentralbank kann daher in einem ökonomisch relevanten Sinn keine Verluste machen, weil sie das Medium, mit dem man Verluste ausgleicht, selbst ohne Kosten herstellt.“

Hier ist wieder die irreführende Metapher des „Herstellungs“-Prozesses, wo es nur um Verbindlichkeiten der Bank geht, die für deren Kunden Forderungen sind, die durchaus werthaltig sind – es sei denn das Geldsystem erodiert oder bricht zusammen. Die Verluste der Zentralbank sind nicht weniger relevant als ihre Gewinne.

IIX.   Bewertung von Verlusten und die GuV der Zentralbank

Wenn die Verluste der Zentralbank durch negative Neubewertung der auf ihre Bilanz genommenen ausländischen Anleihen zurückzuführen ist und diese Neubewertung durch Aufwertung der eigenen Währung veranlasst wurde, gibt es als Konto für die Gegenbuchung innerhalb der Buchführung der Zentralbank nur ein die GuV betreffendes Aufwandskonto

Innerhalb der doppelten Buchführung der Zentralbank erfolgt die Gegenbuchung bei einer negativen Neubewertung eines Vermögenswertes (z. B. eines Fremdwährungs-Anleihebestands) auf einem Aufwandskonto – genauer gesagt: einem Bewertungsverlust-Konto, das in der Gewinn- und Verlustrechnung der Zentralbank erscheint.

Die Zentralbank hat keinen Produktionsprozess von Vermögenswerten, den sie zum Ausgleich von Verlusten nutzen kann. Sie verrechnet ihre Verluste mit noch nicht ausgeschütteten Gewinnen vorangegangener Perioden, mit eventuell gebildeten Rückstellungen,  oder sie bucht Verlustvorträge, den sie in späteren Perioden mit Gewinn verrechnet.

Beispielhafte Buchung:

  • Soll (Aufwandskonto): Bewertungsverlust aus Kursänderung (z. B. USD fällt ggü. CHF)
  • Haben (Aktivkonto): US-Staatsanleihen (neuer, niedriger CHF-Wert)

Das reduziert den Jahresüberschuss der Zentralbank, führt möglicherweise zu einem Verlustvortrag und schmälert das Eigenkapital in der Bilanz, wenn es nicht durch Gewinnvorträge oder Reserven gedeckt wird.

IX.  Ökonomischen Wirkungen durch eine Aufwertung des Schweizer Franken

Es folgt eine Zusammenstellung der realen ökonomischen Wirkungen durch eine Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar– bezogen auf die SNB, ihre Dollar-Assets und mögliche Schuldner 


  • Auswirkungen auf die Schweizerische Nationalbank (SNB)

a) Buchhalterische Verluste

  • Die auf US-Dollar lautenden Vermögenswerte (z. B. US-Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Aktien, Fonds) werden in Franken niedriger bewertet.
  • In der GuV der SNB führt das zu Bewertungsverlusten, auch wenn die Titel selbst nicht verkauft werden.
  • Diese Verluste werden ggf. vorgetragen und mindern zukünftige Ausschüttungen an die öffentliche Hand.

b) Keine reale Zahlungswirksamkeit – solange nicht realisiert

  • Solange die Titel gehalten werden und keine Verkäufe erfolgen, entstehen keine realen Mittelabflüsse.
  • Erst bei Verkauf oder Fälligkeit könnte ein realisierter Verlust entstehen.

  • Auswirkungen auf Schweizer Schuldner mit Dollar-Verbindlichkeiten

a) Buchgewinne (Entschuldungseffekt)

  • Unternehmen oder Haushalte mit Krediten in USD sehen ihre Schuld in CHF sinken.
  • Dies führt zu einem Buchgewinn: Die Schuldenseite der Bilanz schrumpft in CHF.
  • Wenn nach IFRS bilanziert wird, wird dieser Effekt in der GuV als Gewinn ausgewiesen.

b) Reale Entlastung

  • Bei tatsächlicher Rückzahlung (oder Zinszahlung) in Franken: Geringerer Frankenbetrag nötig.
  • Das führt zu einer realen Kostensenkung für diese Schuldner.

  • Auswirkungen auf Schweizer Exporteure

a) Wettbewerbsnachteil

  • Ihre Produkte werden im Ausland teurer, da der Franken stärker ist.
  • Das kann zu Absatzrückgängen führen.
  • Gewinnmargen schrumpfen, wenn Preise nicht angepasst werden können.

b) Verlust von Marktanteilen

  • Langfristig besteht die Gefahr, dass Konkurrenz aus dem Ausland Schweizer Firmen verdrängt, besonders bei preissensitiven Gütern.

  • Auswirkungen auf Schweizer Importeure und Konsumenten

a) Importe werden günstiger

  • In Dollar bepreiste Waren (z. B. Elektronik, Öl, Rohstoffe) kosten weniger Franken.
  • Das senkt die Importpreise und wirkt inflationsdämpfend.

b) Kaufkraftgewinn für Konsumenten

  • Haushalte können für gleiches Einkommen mehr importierte Güter erwerben.
  • Reale Kaufkraft steigt.

  • Auswirkungen auf den Schweizer Tourismus und Binnenwirtschaft

a) Rückgang ausländischer Touristen

  • Urlaub in der Schweiz wird teurer für Ausländer.
  • Das kann zu einem Rückgang im Tourismussektor führen.

b) Schweizer reisen häufiger ins Ausland

  • Umgekehrt wird Auslandsurlaub günstiger – potenzielle Abfluss von Konsumausgaben ins Ausland.

  • Auswirkungen auf internationale Anleger / US-Schuldner

a) Für US-Schuldner (z. B. Treasury): Keine direkte Wirkung

  • Die Zins- und Tilgungsverpflichtungen bleiben in USD konstant.
  • Eine Abwertung des USD gegenüber CHF verändert nichts an deren Verpflichtungen in USD.

b) Für die USA indirekt nachteilig, wenn SNB ihre Käufe einschränkt

  • Ein starker Franken könnte die Kaufbereitschaft der SNB dämpfen, was zu steigenden Renditen (sinkenden Kursen) bei UST führen könnte.
  • Das verteuert die Refinanzierungskosten für die US-Regierung – ein potenzieller realer Nachteil.

  • Verteilungseffekte innerhalb der Schweiz

a) Exportindustrie verliert, Konsumenten gewinnen

  • Wer stark exportabhängig ist, wird belastet.
  • Konsumenten (v. a. mit niedrigen Einkommen) profitieren durch billigere Importwaren.

b) SNB kann bei dauerhaftem Aufwertungsdruck politisch unter Druck geraten

  • Die Ausschüttung an Bund/Kantone sinkt bei Bewertungsverlusten.
  • Das kann Steuererhöhungen oder Kürzungen öffentlicher Leistungen notwendig machen.
    • Auswirkungen auf ausländische Schuldner mit Franken-Verbindlichkeiten

a) Reale Belastung durch Aufwertung

  • Ausländische Unternehmen oder Haushalte (z. B. Immobilienkäufer in Osteuropa), die Kredite in Schweizer Franken aufgenommen haben, müssen für Zins und Tilgung nun mehr ihrer lokalen Währung aufbringen, um denselben Betrag in Franken zu begleichen.
  • Das erhöht ihre reale Schuldlast und kann zu finanziellen Engpässen bis hin zu Kreditausfällen führen.

b) Buchverluste bei diesen Schuldnern

  • In der Bilanz dieser Schuldner steigen die Passivwerte (CHF-Kredite) in heimischer Währung gerechnet, was zu einem Buchverlust führt.
  • Falls sie in IFRS bilanzieren, wird der negative Effekt auf die GuV durch Wechselkursanpassung sichtbar.

c) Makroökonomische Risiken für Schuldnerländer

  • In Ländern mit hohen Anteilen an CHF-Fremdwährungskrediten (z. B. Ungarn, Polen früher) kann eine Franken-Aufwertung die Finanzstabilität gefährden, besonders im Immobiliensektor.
  • Politische Reaktionen (z. B. gesetzliche Konvertierungen in Lokalwährung) sind möglich.

X.    Analyse statt Apologie:
Trennung von System, Verständnis und normativer Bewertung

Meine Ausführungen zielen nicht auf eine Verteidigung der SNB oder ihrer Wechselkurspolitik. Vielmehr möchte ich deutlich machen, dass der bestehende institutionelle Rahmen des internationalen Geldsystems bestimmte Handlungsmöglichkeiten eröffnet – nicht nur für die Schweiz, sondern ebenso für andere Notenbanken. Wer den damit verbundenen Machtasymmetrien entgegenwirken möchte, wird um eine internationale Reform des Währungssystems nicht herumkommen. Die Kritik an der SNB sollte daher nicht auf das technische Privileg der Geldschöpfung zielen, sondern auf die politischen und institutionellen Strukturen, die bislang eine faire globale Ordnung verhindern. 

Eine solche Kritik wird allerdings erschwert, wenn wir die deskriptiv-analytische Ebene nicht sorgsam von der normativ-bewertenden Ebene trennen. Eine Infragestellung der systematischen Buchführung untergräbt dabei die Möglichkeit, überhaupt zu belastbaren Diagnosen und Reformvorschlägen zu gelangen.

Wir haben die doppelten Buchführung und die auf ihr fußende Saldenmechanik für die Konstruktion eines neuen Systems, das der Entstehung von auf Dauer untragbaren Ungleichgewichten im internationalen Leistungstransfer entgegenwirkt, dringend nötig.