Trump und die Finanzmärkte: Es könnte ganz einfach sein

(Dieser Artikel ist heute bei Telepolis erschienen)

Einer der wichtigsten Handelsberater von Donald Trump, Peter Navarro, hat vor einiger Zeit in einem Artikel der Financial Times die Politik des amerikanischen Präsidenten verteidigt und dabei, ohne dass es in Kontinentaleuropa jemandem aufgefallen wäre, zumindest einen sehr starken Punkt gemacht. 


Navarrro schreibt: 

At the heart of this crisis is a trade deficit in goods that has ballooned to more than $1tn annually. The economic models of free trade that predict chronic trade imbalances will always be eliminated through price adjustments via exchange rates are dead wrong. (Im Zentrum dieser Krise steht ein Handelsdefizit bei Gütern, das auf über 1 Billion US-Dollar pro Jahr angestiegen ist. Die Wirtschaftsmodelle des Freihandels, die vorhersagen, dass chronische Handelsungleichgewichte durch Preisanpassungen über Wechselkurse beseitigt werden, sind völlig falsch.)

Dass er sich nur auf die Gütermärkte und nur auf das Handelsbilanzdefizit bezieht, ist irreführend, weil auch Dienstleistungen wertvolle Tauschware in dieser Welt sind. Das ist jedoch eine lässliche Sünde, er hätte das Leistungsbilanzdefizit nehmen sollen, das sich im vergangenen Jahr für die USA ebenfalls auf mehr als eine Billion belief und die Dienstleistungsbilanz enthält. Völlig Recht hat er jedoch, was die ökonomischen Modelle und die Rolle der Finanzmärkte betrifft. 

Das Währungssystem ist entscheidend

Seit den Anfängen der Freihandelslehre vor über 200 Jahren stehen in der Tat Aussagen über den Nutzen des internationalen Handels immer unter dem Vorbehalt, dass via internationales Währungssystem dafür Sorge getragen wird, dass kein Land permanent hohe Überschüsse oder Defizite aufweist. Ohne diesen Vorbehalt sind alle Aussagen über die Vorteile des freien Handels für alle Beteiligten glatter Unsinn. Folglich ist fast alles, was in Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren über den Freihandel und über die regelbasierte Handelsordnung gesagt wurde, ebenso glatter Unsinn. Das gilt für gefühlt 99 Prozent aller deutschen Ökonomen, ganz vorneweg Institutionen wie der Sachverständigenrat und die wirtschaftswissenschaftlichen Institute. Insbesondere das berühmte Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat sich in dieser Hinsicht enorm hervorgetan. 

Völlig Recht hat Navarro auch mit seiner Behauptung, dass es Anpassungen der Wechselkurse, die andauernde Ungleichgewichte hätten verhindern können, nicht gegeben hat. Aber woran liegt das? Das hat wirklich nichts mit der Theorie oder den Modellen der Ökonomen zu tun. Er sollte sich mal mit seinem Präsidenten in den Amtrak-Zug setzen und von Washington nach New York fahren (da könnte er auch amerikanische Hochtechnologie aus dem 19. Jahrhundert erleben). Von Penn Station muss man sich dann zur Südspitze Manhattans begeben, da findet man die Lösung. Da gibt es nämlich eine berühmte Straße, die heißt Wall Street und gefühlt in jedem Büro in dieser Straße würde er die Jungs (und Mädels) treffen, die dafür verantwortlich sind, dass es seit 55 Jahren keine Regel in dieser Welt gibt, die dafür sorgt, dass der Handel nicht nur frei, sondern auch fair ist. 

Wirklich kluge Ökonomen wussten schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, dass man es den Finanzmärkten niemals überlassen dürfe, die Wechselkurse der Währungen herauszufinden. Die haben nämlich null Verständnis für volkswirtschaftliche Zusammenhänge und spekulieren so lange herum, bis mit Sicherheit ein Ergebnis erzielt ist, dass mit dem Ausgleich von Salden der Leistungsbilanz nichts zu tun hat (wie hier und in meinem Grundlagenbuch gezeigt). 

Weil aber der Handel mit Währungen zum Ausgleich der Handelspositionen so gewinnbringend ist, hat Wall Street jeden Versuch der amerikanischen oder einer anderen Administration verhindert, etwas gegen Währungsspekulation zu tun. Es gab sogar mal eine deutsche Regierung, die so klug war, darüber in internationalen Verhandlungen reden zu wollen. Zuletzt hatte Nicolas Sarkozy versucht, die Währungsordnung auf die Agenda der G 20 zu setzen, auch vergebens, weil die größten amerikanischen Präsidenten immer ganz schnell ganz klein wurden, wenn bei solchen Gesprächen auch nur erwähnt wurde, es könne an die Gewinne von Wall Street gehen. Deswegen, lieber Herr Navarro, führen die Finanzmärkte ein Eigenleben und jagen sogar dem allergrößten aller Präidenten einen gehörigen Schrecken ein, wenn sie nur ein klein wenig nervös werden.  

Abwertung ist besser als Zollorgie

Zudem müsste Peter Navarro dem Präsidenten bei Gelegenheit einmal erklären, dass man über die Märkte gar nicht enttäuscht sein muss, wenn man selbst inkonsistent ist. Wer sein Leistungsbilanzdefizit loswerden will, sollte, wie das einst James Baker in den 1980er Jahren mit dem Plaza-Akkord getan hat, auf eine Abwertung des US-Dollar setzen, weil damit alle Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden und sich niemand beklagen kann, dass er ungerecht behandelt wird. Das Herumhubern mit bilateralen Handelssalden, die ohnehin ohne jede Aussagekraft sind, und bilaterale Sanktionen kann man sich dann sparen.

Wenn der Präsident aber bei jeder Gelegenheit betont, dass er einen starken Dollar und gleichzeitig abwerten will, muss er unverständlich bleiben. Die Zollerhöhungen sind ja, wenn sie wirksam werden, nichts anderes als eine reale Abwertung. Die amerikanischen Verbraucher müssen mehr bezahlen, wenn sie weiterhin ausländische Güter kaufen. Das ist der Kaufkraftverlust, den man gegenüber ausländischen Gütern erreichen will. Man könnte noch Exportsubventionen für die amerikanischen Exporteure einführen, dann wäre die Analogie fast perfekt. Die Zollorgie in Verbindung mit dem Versuch, einen starken Dollar zu erhalten, ist auf jeden Fall mehr als verwirrend.

Den US-Dollar abzuwerten, ist überhaupt kein Problem. Der Präsident kann den Dollar herunterreden, wenn er einmal zugibt, dass eine reale Abwertung gebraucht wird, oder er kann der Zentralbank den Auftrag geben, den Dollar durch Käufe ausländischer Währung zu schwächen. Dann erwarten die Märkte eine Abwertung und es kommt auch dazu, weil alle Spekulanten ihre Dollarbestände reduzieren. Das können die USA aber auch unmittelbar ganz allein durchziehen, weil man die eigene Währung schwächt, indem man mit der eigenen Währung (von der man unbegrenzte Mengen besitzt) ausländische Währungen kauft. Das ist vollkommen legitim, das hat die Schweizer Zentralbank etwa jahrzehntelang gemacht, um sich gegen eine ungerechtfertigte Aufwertung des Franken zu stellen. 

Auch die übrigen Finanzmärkte sind kein Problem

Würde Trump konsequent auf Abwertung setzen, müsste er sich auch keine Gedanken über die anderen Kapitalmärkte machen. Börsen lieben Abwertungen, weil sie den eigenen Unternehmen zugutekommen. Und die Märkte für Staatsanleihen hätten schon gar keinen Grund, verrückt zu spielen. Eine Abwertung, die auf eine Reduktion des Leistungsbilanzdefizits zielt, verspricht für die Zukunft weniger hohe Staatsdefizite. Warum sollten sich die „Märkte“ darüber aufregen? Doch selbst wenn es zu kleinen Turbulenzen kommt, wie in der vergangenen Woche, ist das kein Problem. Wohin sollen die Anleger gehen, die Trump nicht vertrauen? Es gibt einfach keine Alternative. Der amerikanische Staat ist und bleibt der einzige Schuldner, der für die Massen der Sparer genügend große Anlagemöglichkeit bietet. Im Zweifel kann auch immer noch die FED einspringen und allzu große Ausschläge glätten.

Selbst wenn die chinesische Regierung sich entschlösse, ihren gewaltigen Bestand an amerikanischen Staatsanleihen deutlich zu verringern, spielte das Trump unmittelbar in die Hände. China müsste dann eine noch stärkere Aufwertung seiner eigenen Währung zulassen, was es sicher nicht will. China hat die amerikanischen Anleihen ja im Portfolio, weil sie in der Vergangenheit ihre eigene Währung schwächen wollten, also Dollar gekauft haben. 

Insgesamt ist es einfach: Trump hat einen guten Punkt mit dem amerikanischen Leistungsbilanzdefizit, aber er und seine Berater verrennen sich in bilateralen Maßnahmen, die nicht zielführend sind. Ein Defizit gegenüber dem Rest der Welt sollte global angegangen werden. Der Rest der Welt, insbesondere die Deutschen mit ihrem gewaltigen Überschuss in der Leistungsbilanz haben allerdings den internationalen Handel nicht verstanden oder wollen ihn nicht verstehen. In der Situation ist das probate Mittel für die Beseitigung des US-Defizits eine Abwertung des US-Dollar. Wertet der Dollar um 20 bis 30 Prozent ab, ist die amerikanische Überbewertung beseitigt und alle Marktteilnehmer haben ein klares Bild dessen, was passieren wird. Kommt es dennoch zu kleineren Turbulenzen an den Aktien und Staatsanleihenmärkten, ist das unproblematisch und kann jederzeit von den Notenbanken aufgefangen werden.